Fehlgeschlagene BAföG-Digitalisierung, überarbeitete Beamte
Laut funk, dem jungen Angebot der Öffentlichen Rechtlichen, gibt es für den Antragsstau mehrere Gründe. Entscheidend seien die fehlgeschlagene Digitalisierung der Anträge, immer neue Regeln und überforderte Behörden. Zusätzlich machen sich auch der Fachkräftemangel sowie viele kranke Beamt*innen negativ bemerkbar.
Auch wir haben mit einer Betroffenen Studentin gesprochen. „Zuerst hat meine Hochschule mir den Folgeantrag verspätet ausgehändigt. Deswegen konnte ich den Antrag also erst Mitte Juni einreichen. Erst Anfang Oktober hat sich das Amt gemeldet. Angeblich hat ein Dokument gefehlt. Ich musste die gleichen Dokumente also noch mal einreichen. Zum Glück ding das Ganze nicht von vorne los. Ende November habe ich dann das Geld bekommen. Knapp sechs Monate nach meinem Antrag. In der Zeit habe ich fast alle meine Ersparnisse aufgebraucht. Noch einen Monat mehr und ich hätte meine Miete nicht mehr zahlen können„, erzählt uns Laura aus Köln.
Und das gerade am Anfang eines Semesters. Auch du warst mal Ersti und kennst die Ausgaben. Lernmittel, Semesterbeiträge, Möbel, Kautionen, Umzüge…da kommen schnell extrem hohe Summen zusammen. Die Inflation und den Mangel an bezahlbaren Wohnungen haben wir dabei noch nicht erwähnt. Kein Wunder, dass laut dem Wohlfahrtsverband ein Drittel aller Studierenden in Deutschland in Armut leben.
BAföG-Reform 2022 verzögert die Bearbeitung
Dem wird das diesjährige BAföG-Reförmchen kaum etwas entgegensetzen, denn die finanzielle Erhöhung der Sätze reichen nicht einmal, um die aktuelle Inflation auszugleichen. Gleichzeitig sorgte die Reform dafür, dass mehr Menschen Anspruch auf die staatliche Förderung haben. Was grundsätzlich zu gut ist, wurde schlampig umgesetzt. Denn die Ämter haben keine zusätzlichen Kapazitäten zur Bearbeitung der Anträge bekommen, was die Verzögerung der Bearbeitung zusätzlich verschlimmert hat.
Endgegner: Deutsche Bürokratie
Was wie ein klassischer Aufreger klingt, hat für betroffene katastrophale Folgen. Wer seine Miete nicht mehr bezahlen kann, weil man ein halbes Jahr auf die BAföG-Zahlung wartet, könnte obdachlos werden. Oder sich stark verschulden müssen. Einen Start in das akademische Leben stellt man sich vermutlich anders vor.
Hinzu kommt, dass die Anträge extrem kompliziert und fehleranfällig sind. „Wir haben etwa einen Antrag unter 200, der vollständig ist„, erklärte eine Sachbearbeiterin aus Rheinland-Pfalz. Das Problem ist seit mehr als einem Jahrzehnt bekannt. Schon 2010 ergab eine Untersuchung des Normenkontrollrats der Bundesregierung, dass 99 Prozent der Papier-Anträge fehlerhaft waren.
Seit Ende 2021 kann der BAföG-Antrag zwar bundesweit online gestellt werden. Doch das hat eher neue Probleme erzeugt als alte zu lösen. In der Praxis habe die Digitalisierung des BAföGs „fatale Folgen“, so der Dachverband der bundesweit 57 Studenten- und Studierendenwerke.
Die BAföG-Ämter der Studierendenwerke müssen die online eingereichten BAföG-Anträge der Studierenden händisch ausdrucken. Die BAföG-Ämter müssen so viel drucken, dass dafür zusätzliches Personal eingestellt werden musste. ZUM AUSDRUCKEN DER DIGITALEN ANTRÄGE.
Deutsches Beamtentum in a Nutshell: Personal einstellen, um digitale BAföG-Anträge auszudrucken. Und dann geht ihnen das Papier aus. Keine Pointe.
Und es wird noch absurder, denn selbst dafür fehlt aktuell das Papier. Einige Studentenwerke baten im Dezember 2021 andere Abteilungen um Hilfe, weil ihnen bei der Bearbeitung das Papier ausgegangen ist. Wenn es nicht so traurig wäre…
Halbes Jahr Wartezeit – eher Regel als Ausnahme
Die Behörden machen keinen Hehl aus den Missständen. Gerade zu Beginn eines Wintersemesters, wo viele Studis ihren Antrag zum ersten Mal einreichen, gibt es sehr viel Arbeit. Bestenfalls zwei bis drei Monate nach dem Einreichen eines Antrags erfolgt die Genehmigung. Und dann muss das Geld noch auf das Konto überwiesen werden, was auch mehrere Wochen dauern kann.
„Da die Förderungsleistungen nach dem BAföG am Ende des Monats für den Folgemonat im Voraus gezahlt werden, kann im ungünstigsten Fall zwischen der abschließenden Bearbeitung des Antrages und der Auszahlung an den Antragsteller ein Zeitraum von vier bis fünf Wochen liegen„, berichtet eine Behörde in Rheinland-Pfalz. Insgesamt ist eine Wartezeit von sechs Monaten aktuell eher die Regel als die Ausnahme.
In dieser Zeit hängen Studierende in der Luft. Eine Plattform zur einfachen und sicheren Kommunikation mit den Behörden existiert nicht. Wer sich per E-Mail nach dem Stand der Dinge erkundigt, muss aus Datenschutzgründen seine Antwort per Briefpost bekommen. Was das ganze Elend nicht leichter macht – auch für die Beamt*innen.