Tibetologie studieren: ein Master-Student gibt Einblicke

Du interessierst dich für Tibet und den Buddhismus? Dann wäre ein Tibetologie-Studium vielleicht genau das Richtige für dich! Wir sprachen mit einem Tibetologen im Master-Studium.

Tibetologie studieren? Vielleicht denkst du jetzt an China, den Dalai Lama, den Buddhismus oder das Himalaya-Gebirge. Dass es einen ganzen Studiengang zu Tibet gibt, hast du aber womöglich nicht gewusst. Tibetologie beschäftigt sich mit der Sprache, Kultur und Geschichte des Landes sowie mit der buddhistischen Philosophie und Religion. Wir haben Daniel Gratz, der das Fach im Master an der Uni Wien studiert, dazu ausgefragt.

Tibetologie studieren: Kurzer Überblick

Wo kann ich Tibetologie studieren?

Tibetologie kannst du in Deutschland zum Beispiel in Bonn, München, Hamburg oder Leipzig studieren.

Hat das Tibetologie-Studium Zulassungsbeschränkungen?

Nein, der Studiengang ist zulassungsfrei.

Welche Inhalte gibt es im Tibetologie-Studium?

Inhalte des Studiums sind die Philologie der tibetischen Sprache sowie die Sprach- und Literaturgeschichte. Darüber hinaus gibt es Kurse zur Philosophie- und Religionsgeschichte sowie zur Kunst- und Kulturgeschichte. Außerdem werden kulturelle und soziale Entwicklungen des Landes untersucht.

Welche Berufsaussichten gibt es für Tibetolog*innen?

Mit dem abgeschlossenen Studium kannst du vor allem in Lehr- und Forschungsinstitutionen arbeiten und forschen. Darüber hinaus kann dir das Studium als Qualifikation für diverse andere Arbeitsstätten zum Beispiel in der Übersetzung, im Tourismus oder im diplomatischen Dienst dienen.

Interview mit Daniel Gratzer von der Universität Wien

Captain Campus: Warum hast du dich entschieden Tibetologie zu studieren?

Daniel Gratzer: Die Entscheidung traf ich aus zwei Gründen. Zum einen war es Zufall, dass ich meinen geplanten Zivildienst in Dharamsala um ein halbes Jahr verschieben musste und in dieser Zeit das Studium ausprobieren konnte. Zum anderen wuchs ich als Buddhist und mit der tibetischen Tradition auf. Daher auch mein Interesse für Tibet.

Das erste Semester Tibetologie gefiel mir so gut, dass ich es nach meinem Zivildienst fortführte. Parallel zum Master begann ich meinen Bachelor in der Psychologie.

CC: Welche Fächer und Schwerpunkte begeistern dich besonders?

DG: Im Studium lerne ich klassisches und modernes Tibetisch und Sanskrit. Für mich sind beide Sprachen etwas Besonderes. Beispielsweise mag ich an Tibetisch den Klang und die Übersetzungskurse. Zudem habe ich im Studium Veranstaltungen zu buddhistischer Philosophie, Kultur und Geschichte. Außerdem begeistern mich Inhalte zu interkulturellen Interaktionen und deren geschichtlichen Hintergründen.

CC: Du hast deinen Zivildienst in der Stadt Dharamsala gemacht. Was konntest du auf deiner Reise für dein Studium mitnehmen?

DG: Ich reiste in das Exil-Zentrum Tibets Upper-Dharamsala. Der Aufenthalt mich vor allem mit meinen Sprachkenntnissen geholfen. Zudem habe ich viel über die aktuelle Situation der Tibeter, die ins Exil flüchten mussten, gelernt. Als ich 2016 nach Indien reiste, war in Europa die Flüchtlingskrise aktuell. Meine Reise hinterließ bei mir entsprechend großen Eindruck.

CC: Du hast Psychologie als zweites Studienfach belegt. Glaubst du, dass ein weiteres Fach notwendig ist, um am Arbeitsmarkt mit Tibetologie einen Job zu finden?

DG: Für mich wäre es keine Notwendigkeit gewesen, ein zweites Fach zu belegen. Wenn man mit dem Studium eine Karriere mit viel Geld anstrebt, sollte man eh lieber die Finger davon lassen. Im Bereich Tibetologie gibt nur wenige offene Stellen, gleichzeitig sind wenige Experten zu finden.

Wenn man jedoch seine Berufung in diesem Gebiet gefunden hat, ist es durchaus möglich, gute und passende Jobs zu finden.

Tibetologie studieren, Daniel Student

CC: Ist das Tibetologie-Studium anspruchsvoll?

DG: Die ECTS-Punkte werden im Studium sehr großzügig vergeben. Pro Veranstaltung werden dem Studierenden fünf ECTS-Punkte angerechnet. Dafür sind die Kurse aber sehr anspruchsvoll, verlangen viel Zeit und sind sehr denkintensiv.

CC: Wie fordernd ist die Kombination mit Psychologie?

DG: Mit den beiden Hauptfächern werde ich weit über die Regelstudienzeit hinaus studieren. Dafür genieße ich das breitere Wissensspektrum, die diese Kombination mit sich bringt. Sie lassen sich auch gut miteinander verbinden – es gibt viel Wissenstransfer.

Ich gehe ganz bewusst nicht über das Pensum von 30 ECSTs pro Semester hinaus. Es ist schon möglich in beiden Fächern schneller voranzukommen. Aber es lohnt sich nicht für mich. Denn ich studiere aus Begeisterung für das Fach und die Inhalte und habe es deswegen nicht eilig.

CC: Du bist mit dem tibetischen Buddhismus groß geworden. Welchen Einfluss hat dieser Bezug auf dein Studium?

DG: Ich praktiziere den Buddhismus seit meiner Kindheit. Dabei ist mir stetiges Erkunden wichtig. Dass viele Tibeter in Dharamsala einen Bezug zum Buddhismus hatten überraschte mich. Die Religion hat dort für viele, ähnlich wie das Christentum in Europa, ihren Praxisbezug verloren und wird lediglich als Tradition weitergegeben. Mir liegt es am Herzen, dass Menschen sich bewusst für ihre Art der Spiritualität entscheiden und sie mit Interesse und Neugierde erkunden.

Das Tibetisch-Lernen bekam im Studium durch den frühen Kontakt mit buddhistischen Texten und Überlieferungen eine große Bedeutung. Auch die Veranstaltungen zur Philosophie haben für mich einen praktischen Nutzen.

CC: Was sind deine beruflichen Zukunftspläne?

DG: Momentan bin ich in einer kleinen Übersetzungsgruppe (Tibetisch auf Englisch) neben dem Studium freiberuflich beschäftigt. Langfristig möchte ich in der Forschung bleiben, wo ich in die Psychologie Aspekte der Tibetologie einfließen lassen will. Viel Wissen aus der tibetischen Philosophie kann Nutzen und Effekte für die Psychologie haben.

Ein Beispiel für einen Forschungsschwerpunkt ist das Prinzip des Mitgefühls aus der buddhistischen Philosophie und Praxis. Dort gibt es viele Techniken, um Mitgefühl zu fördern. In einer psychologischen Forschung würde ich dann beispielsweise untersuchen, welche Techniken das Mitgefühl stärken und ob sie auf gesellschaftlicher Ebene hilfreich sein können. Es gibt schon viel Forschung darüber, welche Effekte diverse Meditationstechniken auf neurologischer Ebene zeigen.

CC: Wie zufrieden bist du mit dem Tibetologie-Studium?

DG: Insgesamt sehr zufrieden. Die geringe Studierendenanzahl finde ich allerdings schade. Die Veranstaltungen sind oft sehr klein, sodass man manchmal zu dritt oder als einziger Studierender in einem Seminarraum sitzt. Im Master sind die Studierenden noch mehr auf die einzelnen Schwerpunkte verteilt und ein Gemeinschaftsgefühl unter den Kommiliton*innen fehlt.

Die Fragen stellte Josefine Issleib.

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