Richtig protestieren: Das sind deine Rechte auf einer Demo

In letzter Zeit hat das Bündnis „Letzte Generation“ mit umstrittenen Protestaktionen für Aufmerksamkeit gesorgt. Auch wir finden Klimaschutz sehr wichtig und haben uns gefragt, was man beim Protestieren beachten sollte. Und da du dich das bestimmt auch schon mal gefragt hast, bekommst du in diesem Artikel die Antworten!

Besetzte Hörsäle, Straßenblockaden, Suppenwürfe auf Gemälde – wir alle haben diese Bilder in den letzten Wochen gesehen. Damit möchte die „Letzte Generation“ ein Umdenken in der aktuellen Klimapolitik bewirken. Das ist nicht neu – politischer Protest war und ist in der Bundesrepublik häufig. Was wir aber auch alle mitbekommen haben: Mitte Dezember wurden einige Wohnungen von Aktivist*innen mit dem Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung durchsucht.

Was gilt es also zu beachten, wenn du dein Recht zum Protest nutzen willst?

Wichtig: Wir sind keine Jurist*innen. Deshalb ist der nachfolgende Artikel keine Rechtsberatung. Er soll dir einen Überblick geben, aber bitte wende dich bei Fragen unbedingt Expert*innen.

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Demonstrieren: Ein Grundrecht mit gewissen Pflichten

Demonstrieren ist in Deutschland ein Grundrecht. Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes lautet: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Damit sind aber auch Pflichten verbunden. So müssen Demonstrationen unter freiem Himmel meist rechtzeitig angemeldet werden.

Eine Ausnahme sind Spontandemonstrationen, die aufgrund eines aktuellen Ereignisses stattfinden. Protest kann vielfältig sein: Großdemonstrationen, Menschenketten, Mahnwachen, Kundgebungen und auch Sitzblockaden zählen dazu.

Häufig wird die Genehmigung einer Demonstration mit Auflagen verbunden – beispielsweise gibt es ein Vermummungsverbot, das die Demonstrationsleitung durchsetzen muss. Außerdem kann die Versammlung im Ausnahmefall untersagt werden, etwa wenn die zuständige Behörde die Demonstrierenden für gefährlich hält.

Ziviler Ungehorsam – was ist das eigentlich?

Protest kann unterschiedlich radikal sein, ohne illegal zu sein. Leider ist der Begriff des „Zivilen Ungehorsams“ schwammig. Ein Anhaltspunkt ist die Gewaltfreiheit. Ziviler Ungehorsam selbst ist kein Straftatbestand, aber einzelne Handlungen wie Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung können es sein.

Immer wieder wird ein Verbot von zivilem Ungehorsam gefordert, beispielsweise durch unseren Justizminister Buschmann. Allerdings sollten wir nicht vergessen, dass gewaltfreier Protest eine demokratische Errungenschaft ist. Dazu zählt auch, bestehende Gesetze zu kritisieren. Und oft führt erst dieser Protest überhaupt zu einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion, wie Prof. Philipp Gassert in seinem Buch „Bewegte Gesellschaft“ erklärt.

Die richtige Vorbereitung als Teilnehmer*in

Du hast dich entschieden: Bei der nächsten Demonstration bist du dabei! Unvorbereitet solltest du nicht demonstrieren gehen – und das heißt mehr als Schilder zu malen. Gerade größere Demonstrationen oder Protest bei stark polarisierenden Themen bergen das Risiko, dass etwas anders läuft als geplant. Viele Demos dauern mehrere Stunden lang.

Hoffentlich überflüssig zu erwähnen: Alkohol auf Demonstrationen ist ein No-Go.

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Festes Schuhwerk, genug Proviant und Trinken (in Plastikflaschen, da Glasflaschen oft verboten sind) und klares Wasser sind ein Muss. Auch ein Edding kann sinnvoll sein – mehr dazu gleich. Überleg‘ dir, was du gesundheitlich schaffst. Kannst du im Sommer stundenlang in der Blockade sitzen oder macht dein Kreislauf dann schlapp? Bist du körperlich eingeschränkt? Such‘ dir die Protestform entsprechend deiner Fähigkeiten aus.

Mit Freund*innen mach der Protest nicht nur mehr Spaß, sondern ihr könnt auch aufeinander achten. Wenn der Kreislauf absackt oder du umknickst, kannst du sicher sein, dass es jemand mitbekommt und für dich da ist. Demonstrieren kann den Adrenalinpegel hochtreiben. Es ist aber wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren. Sollte im Chaos jemand von euch verlorengehen, könnt ihr einander suchen.

Demo, Demonstration, Menschen mit Gesichtsmasken protestieren vor Ukraine-Flagge

Während der Demo

Geschafft! Ihr seid angekommen und nun gilt es, sich zu orientieren. Achtet auf die Durchsagen. Wo sind die Demosanitäter*innen, wo die Ordner*innen? Spätestens über die Durchsagen erfahrt ihr von den Auflagen. Verstöße können zur Auflösung der Versammlung führen und passieren schneller als gedacht. Beispielsweise beim Thema „passive Bewaffnung„. Darunter können nämlich schon Klamotten fallen, die es der Polizei erschweren, euch festzunehmen oder zu identifizieren – Sonnenbrillen, Helme, gefütterte Kleidung. Haltet euch an die Ansagen der Veranstaltungsleitung und der Ordner*innen.

Gerade auf großen, linken Demonstrationen wird häufig auch eine Ermittlungsausschuss-Nummer (EA-Nummer) verkündet. Die solltet ihr euch aufschreiben – Demonstrationserfahrene (und die aufmerksamen Leser*innen unter euch) zücken dafür den mitgebrachten Edding. Solltest du von der Polizei festgenommen werden, hast du mindestens zwei Anrufe frei – und der Ermittlungsausschuss kann dir beispielsweise einen Anwalt organisieren und sicherstellen, dass die Polizei deine Rechte wahrt. Auch, wenn ihr eine Festnahme mitbekommt, solltet ihr diese dem EA melden.

Wer schützt wessen Rechte?

Vermutlich fragst du dich nun, warum du von der Polizei festgenommen werden solltest. Schließlich willst du bloß demonstrieren. Doch leider gibt es auch in Deutschland immer wieder Fälle von Polizeigewalt und Repression. So hat der UN-Sonderberichterstatter für Folter noch im April von Systemversagen gesprochen: Unverhältnismäßige Polizeigewalt werde unzureichend verfolgt.

Amnesty International kritisiert, dass es in Deutschland keine unabhängige Untersuchung polizeilicher Repression gibt. Gerade, weil Polizist*innen im Einsatz oft schnell agieren müssen, können aber eben auch Fehler passieren. Außerdem gibt es auch in den Reihen derjenigen, die die Demokratie eigentlich schützen sollen, Demokratiefeind*innen.

Polizist*innen werden aber selten verurteilt, weil die Polizei auf eine Klage häufig mit einer Gegenklage reagiert oder viele Betroffene den Vorfall aus Angst gar nicht erst anzeigen. Leider steht oft Aussage gegen Aussage und Polizist*innen wird oft mehr geglaubt. Erst im November sorgte ein Gerichtsprozess für Aufsehen, in dem ein Mann von der Polizei angeklagt worden war, aber mittels Handyvideos beweisen konnte, dass die Polizist*innen vor Gericht die Unwahrheit sagten.

Was tun, wenn‘s eskaliert?

Das klingt ernüchternd, soll dich aber nicht vom Demonstrieren abhalten. Denn es gibt einige Möglichkeiten, mit denen du dich und andere schützen kannst! Wenn du beispielsweise mitbekommst, dass Teilnehmer*innen gegen die Auflagen verstoßen: Wende dich an die Ordner*innen. Sie laufen am Rand der Demo mit und tragen häufig Warnwesten oder Binden, an denen sie zu erkennen sind. Ordner*innen unterstützen die Demo-Leitung und können die entsprechende Person verwarnen.

Wenn du Teil einer Blockade bist, kann die Polizei euch auffordern, zu gehen. Ziviler Ungehorsam ist, wenn ihr sitzenbleibt. Das ist nicht strafbar. Was aber strafbar ist, ist Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Wenn die Polizist*innen euch wegtragen, solltest du dich deshalb so wenig wie möglich bewegen. Auch ein Zucken oder das Losreißen und Weglaufen können als Widerstand gelesen werden und mit diesem Straftatbestand ist nicht zu spaßen.

Wenn du mitbekommst, dass die Polizei eine*n Teilnehmer*in festnimmt oder es zu hitzigen Diskussionen kommt: Mach die Umstehenden ruhig darauf aufmerksam. Sollte es im Nachhinein zu Gerichtsverfahren kommen, sind Zeug*innen Gold wert. Noch besser ist es, Festnahmen zu filmen. Im Fall unverhältnismäßiger Gewalt hilft das Videomaterial den Betroffenen, dies zu beweisen. Wenn es auf der Demonstration einen Ermittlungsausschuss gibt, kannst du dich dort als Zeug*in melden.

Generell gilt: ruhig bleiben. Das mag schwer sein, wenn du das Gefühl hast, ungerecht behandelt zu werden oder wenn du denkst, dass jemand ungerecht behandelt wird. Aber Wut und Beschimpfungen helfen in einer solchen Situation nicht weiter.

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Fazit: Demonstrieren gehört auf deine Bucket List!

Es gibt aktuell viele Themen, die Angst, Frust und Ärger auslösen. Daran gibt es nichts schönzureden. Du kannst aber selbst aktiv werden und deine negativen Emotionen produktiv nutzen. Nicht nur in Klimafragen geht es um unsere, um eure, um deine Zukunft. Protest ist der erste Schritt zur Veränderung, macht Mut und bekämpft die Hilflosigkeit. Und dank dieses Artikels weißt du nun auch, worauf du achten solltest. Nächster Schritt: Die Teilnahme an einer Demo auf deiner Bucket List notieren!

Psst: Wenn du noch keine Bucket List für dein Studium hast, hätten wir ein paar Vorschläge für dich.

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